Geborgenheit ist keine Illusion

Quelle:  pixabay
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Es geschah in der Stadt Köln am Rhein in einer Samstagnacht: Ein 29-jähriger Tourist aus England schleicht in stocknüchternem Zustand (wie die Polizei betont) unterhalb der Hohenzollern-Brücke auf einen Ausflugsdampfer. Er bricht ein Fenster des 27 Meter langen Schiffes auf, dringt in das Brückenhäuschen ein, löst sämtliche Landverbindungen und versucht dann den Motor zu starten - was ihm jedoch nicht gelingt. Das Schiff setzt sich in Bewegung, treibt stromabwärts, bis es sich zwischen der Kaimauer und einem anderen Motorboot verkeilt. Als die Polizei das Schiff endlich erreicht, ist der Mann immer noch damit beschäftigt, den Motor zu starten und das Schiff flottzumachen. Er wird festgenommen und befragt, was denn Sinn und Zweck seiner Tat gewesen sei. Die Antwort lässt die Beamten vor Staunen starr werden: Als  Grund für die Kaperung des Schiffes gibt der Mann „Heimweh“ an: Er wollte mit dem Schiff zurück nach Hause, zurück nach England, schippern.

 

Naja, natürlich ist dieser Mann ein Extremfall! Wem von uns würde es schon einfallen, bei Nacht und Nebel einen Ausflugsdampfer zu stehlen, und damit zurück nach Hause zu schippern? Sicher niemandem! Und doch verbindet uns etwas mit diesem modernen Piraten: Und das ist seine Sehnsucht nach einem Zuhause, das ist Sehnsucht nach Geborgenheit.

Wer nur ein wenig vertraut ist mit dem Leben der Menschen, weiß, dass ihre Suche nach echter Geborgenheit oft eine einzige, lange Kette von Enttäuschungen ist:

Am Anfang, als Kinder, da sind ihre Eltern diejenigen, die ihnen  Geborgenheit geben sollten. Aber: Viele Kinder erleben das gar nicht, weil ihre Eltern längst geschieden sind, getrennt leben oder sich laufend streiten. Und selbst bei denen, wo äußerlich erst mal alles stimmt, ist nicht alles rosa: Auch ein Kind kennt Einsamkeit. Auch ein Kind erlebt, dass seine Eltern es nicht verstehen, ungerecht behandeln oder es nicht ausreichend schützen können, z.B. in der Schule. Und je größer die Kinder werden, umso stärker spüren sie, dass ihre Eltern begrenzte Menschen sind, die ihnen nicht wirklich umfassend Geborgenheit geben können.

Dann, später, werden die Freunde wichtig, die Clique. Und man meint, die wäre es nun, die einem ein Zuhause sein könne. Aber nur zu bald zeigen sich auch hier Risse und Grenzen. Nur zu bald wird deutlich, dass es Zeiten gibt, wo man auch in der festesten Clique sehr allein sein kann.

Dann kommt die Zeit der festen Partnerschaft mit einem Menschen, oder vielleicht sogar Hochzeit und Ehe. Und hier glauben die meisten nun schließlich endlich den einen Menschen gefunden zu haben, der sie ganz versteht und der ihnen Zuhause geben kann. Und doch kommt bei jedem – ausnahmslos bei jedem – der Moment, wo er begreift, dass selbst dieser eine geliebte Mensch ihm nicht immer Geborgenheit geben kann. Es bleibt so manches, das man ganz allein tragen muss.

An dieser Stelle geben dann viele auf und sagen sich: „Ich muss die Dinge nehmen, wie sie sind. Ich bin ein einzelner Mensch, der im Letzten allein sein Leben lebt. So ist das nun mal! Und echte, bleibende Geborgenheit – die gibt´s halt nicht!"

Und dann kriegen die Leute diese typischen Erwachsenengesichter und diese typischen Erwachsenenaugen: Die haben so einen Schleier von Müdigkeit, Traurigkeit und Resignation an sich ...

Und doch müssten diese Müdigkeit, diese stille Traurigkeit und diese tiefsitzende Resignation nicht sein! Denn: Es gibt die Geborgenheit, nach der wir uns sehnen. Sie ist vorhanden. Man kann sie finden und sie praktisch erfahren: Gott kennt uns ungeborgene Leute. Er weiß auch, wie sehr wir darunter leiden, dass wir kein wirkliches Zuhause haben. Und er versteht, wie unendlich müde uns die Jahre vergeblicher Suche gemacht haben ... Und jetzt hören Sie, was er sagt! Es sagt dies (Eph 2, 19): Ihr müsst nicht mehr Gäste und Heimatlose sein, sondern Gottes Mitbewohner.

Verstehen Sie: Wir brauchen nicht Heimatlose zu bleiben! Wir brauchen nicht Gäste zu bleiben, die ziellos immer und immer wieder weiterziehen müssen, mit dem Koffer in der Hand. Es gibt ein Zuhause für uns: Wir können Geborgenheit finden im Vaterhaus Gottes. Aber wir dürfen sie nicht bei Menschen suchen. Wir müssen die Such-Richtung ändern und sie bei Gott suchen! Denn dort ist sie zu finden!

Eine, die das erlebt hat, ist eine junge Frau, nennen wir sie Heike. Sie sucht den Traumprinz für´s Leben. Aber es scheint ihn nicht zu geben. Ihre Beziehungen halten nie lange. Für sie ist das ganz normal. Wenn die Gefühle weg sind, trennt man sich und sucht einen neuen Partner. Ruhelos taumelt sie so von Beziehung zu Beziehung. Doch dann wird sie ungewollt schwanger. Jetzt soll sich ihr Leben ändern. Sie heiratet den Vater des Kindes. Doch auch dieses Mal ist das Glück nur von kurzer Dauer. Die Ehe zerbricht, als ihr Mann sie betrügt. Sehr bewusst nimmt sie plötzlich in ihrem Bekanntenkreis wahr, dass viele Paare sich gegenseitig betrügen und Ehen zerbrechen. Auf Menschen, die an heile Beziehungen glauben, reagiert sie nur noch mit Sarkasmus. Ihre eigenen Affären werden jetzt noch kürzer. Sie sehnt sich nach einem Partner, aber ihre Suche endet in One-Night-Stands. In ihrem Herzen bleibt sie allein.

In dieser Zeit lernt sie einen ungewöhnlichen Arbeitskollegen kennen. „Er hat immer von Jesus erzählt“, berichtet sie. „Ich habe nur gedacht: Der spinnt, der lebt in einer anderen Welt. Aber ich mochte ihn trotzdem. Er war ein lieber Mensch und hatte irgendwie was Besonderes.“ Immer wieder lädt er sie in den Gottesdienst ein, aber Heike lehnt dankend ab.

Ein Sonntagmorgen ändert ihre Einstellung. „Ich bin um fünf Uhr aufgewacht und mein ganzes Leben hat mich irgendwie angewidert. Dann habe ich meinen Arbeitskollegen angerufen und gesagt: „Ich komme heute mit in den Gottesdienst.“

Nervös macht sie sich auf den Weg, raucht eine Zigarette nach der anderen. Als sie endlich im Gottesdienst sitzt, überwältigen sie ihre Gefühle. Heike berichtet: „Die Musik fing an, und ich habe nur noch geheult. Ich habe gespürt: Gott ist mein Vater. Er ist hier. Ich bin zu Hause. In meinem Herzen war eine totale Ruhe, ein totaler Frieden. Wie nach einem Marathonlauf. Ich bin durchs Leben gerannt und gerannt – und jetzt bin ich zu Hause und kann mich ausruhen.“  In diesem Gottesdienst geht Dörthe eine persönliche Verbindung zu Gott ein. Eine Verbindung mit tiefgreifenden Folgen.

„Als ich heimkam, berichtet sie, “habe ich mich so befreit gefühlt und so geliebt und so lebendig wie noch nie in meinem Leben.“ Zum ersten Mal merkt Heike, dass sie es aushalten kann, allein zu sein. Sie hat turbulent gelebt, jetzt findet sie Ruhe bei Gott.

Rückblickend stellt sie fest: „Während ich in diesem Gottesdienstraum saß, habe ich gemerkt, dass mein altes rastloses Leben vorbei ist. Ich hatte diese bedingungslose Liebe gefunden, die ich immer in Partnerschaften oder in der Ehe gesucht habe und die doch kein Mensch geben kann. Ich habe sie in einer ganz anderen Form gefunden, als ich es je für möglich gehalten  hätte. Diese Lücke in meinem Herzen ist gefüllt worden, das kann und muss jetzt kein Partner mehr tun.“

Und darum: Wenn Sie heimatlos sind in Ihrem eigenen Leben. Wenn Sie ungeborgen sind und ohne wirkliches Zuhause. Wenn Sie auch diese lange Kette von Enttäuschungen erlebt haben und schließlich da angekommen sind, wo alle ankommen: Bei der Müdigkeit, bei der Traurigkeit, bei der Resignation. Dann bitte, halten Sie das fest: Gott kennt Ihre Lebensgeschichte. Sie brauchen ihm nichts zu erklären. Er weiß längst Bescheid. Und er gibt Ihnen eine neue Perspektive: Er sagt Ihnen heute, dass ein Zuhause für Sie da ist, wo Sie längst erwartet werden. Er sagt Ihnen heute, dass die Geborgenheit, nach der Sie sich sehnen, keine Illusion ist.